Eigentlich ist es ganz einfach. "Kostenfrei heizen" bedeutet letztendlich, dass eine ausreichende Menge kostenneutral erzeugter Wärme immer dann zur Verfügung stehen muss, wenn sie benötigt wird. Dafür ist nicht nur Wärme erforderlich sondern auch ein Speicher für die Vorhaltung. Solche Konzepte gibt es seit Jahrzehnten in Form von Solarthermieanlagen, wie sie auch auf dem Dach des Sonnenhauses installiert ist. Jedoch reicht die Sonneneinstrahlung nicht für die vollständige Versorgung der 32 Wohnungen aus.
Jeder, der schon einmal einen Computer oder ein Notebook benutzt hat, weiß, dass das Gerät nach einiger Zeit warm wird. Damit die Schaltkreise des Computers nicht zerstört werden, müssen sie gekühlt werden. Normalerweise geschieht dies durch Umgebungsluft, die durch verschiedene Lüfter an den kritischen Bauteilen des Rechners vorbeigeführt wird. Luft ist für den Transport und die Speicherung von Wärme allerdings nicht optimal geeignet, weshalb seit einigen Jahren umweltfreundliche Flüssigkeiten Verwendung finden, die auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden und in Kosmetikprodukten enthalten sind. Die vollständig in das Kühlbad eingetauchten elektronischen Geräte erwärmen die Kühlflüssigkeit (Immersionskühlung). Im nächsten Schritt wird die Wärme mit normalem Wasser aus dem Kühlbad in die Speicher der Heizungsanlage transportiert.
Wasser ist seit Jahrzehnten ein bewährter Wärmespeicher. Für die Solarthermieanlage im Sonnenhaus sind solche Speicher sowieso erforderlich, so dass neben der solaren Wärme auch die Abwärme aus den Computern dort gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden kann. Die Anzahl und Größe der Speicher wurde passend zum Wärmebedarf des Hauses, der Größe der Solarkollektorfläche und der Abwärme der elektronischen Geräten dimensioniert.
Es geht nicht nur um Sommer oder Winter. Auch im Februar kann an einem sonnigen Tag bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt so viel Wärme vom Himmel strahlen, dass die bereits voll geladenen Speicher keine weitere Wärme aufnehmen können. Darum gibt es eine Steuerung, die das Wetter der nächsten 24 Stunden berücksichtigt und den Verbrauch der vergangenen 24 Stunden. So ist immer gewährleistet, dass die Speicher mit der optimalen Wärmequelle geladen werden. In dem Fall, dass ausreichend Wärme in den Speichern vorhanden ist oder absehbar ist, dass die Sonne genug Wärme liefern wird, werden die Computer rechtzeitig aus- und bei Bedarf wieder eingeschaltet. An letzter Stelle steht eine konventionelle Gastherme, die mit Bio-Flüssiggas (Bio-LPG) betrieben wird. Zusätzlich zu der mehrstufigen, CO2-optimierten Erzeugung haben wir die Verbrauchsseite erweitert, so dass auch im Sommer möglichst viel Wärme sinnvoll abgenommen werden kann. So wurden zusätzliche Warmwasseranschlüsse für die Waschmaschinen in den Bädern installiert. Waschmaschinen mit zusätzlichem Warmwasseranschluss, Vorschaltgeräte und Mischbatterien sparen nicht nur Strom sondern verkürzen auch die Waschzeit. Perspektivisch könnten auch Nachbargebäude an die Anlage gekoppelt werden.
Nein - diese Computer nicht, denn es sind keine herkömmlichen Computer sondern sogenannte ASIC-Miner und IPFS-Knoten. Diese sehr spezielle Technik ist Teil eines weltweiten Netzwerks aus Millionen von Recheneinheiten und Knoten. Wenn einzelne Einheiten für Stunden, Tage oder Monate nicht arbeiten, übernehmen andere Geräte irgendwo auf der Welt automatisch ihre Funktion. Alle Daten sind vielfach im Netz gespeichert, so dass man auch für längere Zeit Teile der Technik abschalten kann, ohne dass das Netzwerk stehen bliebe oder Daten verloren gehen könnten.
Die Kosten für die Hardware und den Strom, der übrigens ausschließlich aus regenerativen Quellen stammt, erwirtschaftet man durch die Rechenarbeit, die die elektronischen Geräte für das Netzwerk leisten. Neben der Erzeugung neuer Bitcoins, Ether oder anderer Einheiten werden durch das sog. "Mining" auch Transaktionen und andere Prozesse in den Netzwerken ermöglicht. Die Vorstellung, dass im Keller täglich hunderte Bitcoins produziert werden und lagern, wäre allerdings falsch. Trotz der Größe des Hauses ist verglichen mit dem gesamten Strombedarf des weltweiten Bitcoin-Netzwerks nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Energie bereits ausreichend, um alle Wohnungen komfortabel zu versorgen. Nahezu 100% des eingesetzten Stroms werden in Wärme umgewandelt. Allein das Bitcoin-Netzwerk verbraucht aktuell so viel Strom wie die gesamte Niederlande, wobei der Wert ständig schwankt (CBECI). Dieses Netz aus Millionen Geräten produziert heutzutage gerade mal 6,25 Bitcoin alle 10 Minuten. Jetzt kann man sich ausrechnen, welch geringer Bruchteil eines Bitcoins durch die Rechenleistung im Sonnenhaus erarbeitet wird. Es geht hier nicht um hohe Gewinne sondern die kostendeckende Wärmeversorgung ist in diesem Fall das Ziel. Neben dem verbrauchten Strom müssen sich letztlich auch die Hardwarekosten amortisieren, bevor die Wärme als quasi kostenfreies Abfallprodukt übrig bleibt.
"CO2-negativ" oder "negative Emissionen" (NET) bedeutet kurz gefasst, dass bereits existierendes CO2 aktiv der Atmosphäre entzogen und dauerhaft gebunden wird - im Gegensatz zu "CO2-neutralen" Prozessen, bei denen kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird. Im Sonnenhaus Parey wird zwar kein CO2 eingelagert, allerdings wird die Freisetzung von CO2 an anderer Stelle verringert, weil ein Teil der Computer und mit ihnen die Abwärme dorthin verlagert werden, wo die Wärme ohnehin benötigt wird und zwangsläufig aus herkömmlichen Primärenergieträgern (Gas, Heizöl, Holz) erzeugt werden müsste. Auf der einen Seite können somit Server in Rechenzentren abgeschaltet werden und auf der anderen Seite die Freisetzung von CO2 durch das Wohnhaus minimiert oder sogar vollständig vermieden werden. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass neben der Abwärme auch für die Kühlung von Rechenzentren weiterer Strom erforderlich ist, könnten deutlich über 50% des in Rechenzentren verbrauchten Stroms ersatzlos eingespart werden. Beim Stromverbrauch von Rechenzentren geht man allein in Deutschland von ca. 15 Mrd. kWh pro Jahr aus (Stand 2020).
Es gibt inzwischen einige Unternehmen, die mit "grünem", CO2-neutralen Bitcoin Mining werben, weil sie Strom aus regenerativen Quellen verwenden, der ohnehin überschüssig wäre. Doch ist es nicht viel sinnvoller, den Strom dort zu verbrauchen, wo die Wärme benötigt wird und dafür ein Wasserkraftwerk weniger zu bauen?
Ja, aber noch nicht im Sonnenhaus in Parey. In einem anderen Sonnenhaus in Bitterfeld läuft die Technik bereits seit über drei Jahren störungsfrei und die Mieter profitieren davon in Form von niedrigen Heizkosten. Nur wenn ein ausreichender Wärmebedarf existiert, lohnt sich die Anschaffung der erforderlichen Hardware. Die Technik veraltet so schnell, das jeder Monat zählt. Aktuell ist die Inbetriebnahme mit Beginn der Heizperiode 2022 / 23 vorgesehen. Bis dahin wird die Wärme aus Bio-Flüssiggas und Solarthermie erzeugt - immerhin schon fast CO2-neutral.
Ich würde mich freuen, wenn sich Interessenten, Unterstützer und Nachahmer für dieses Konzept fänden. Verteilte Rechenleistung und Datenspeicher stehen heute noch am Anfang ihrer Entwicklung, aber mit der zunehmenden Verbreitung schneller Internetzugänge auch auf dem Land (z.B. mittels "Echtzeit 5G") halte ich die Struktur eines globalen, virtuellen Rechenzentrums für das Modell der Zukunft. Große konventionelle Rechenzentren könnten innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre durch dezentrale, vernetzte Micro-Datacenter abgelöst oder gar nicht erst gebaut werden.
Bitcoin und quasi alle anderen fast 20.000 Kryptowährungen haben zwar in letzter Zeit eine eher unerwünschte Karriere als Spekulationsobjekt gemacht und werden nach wie vor nur selten als unabhängiges, pseudonymes Zahlungsmittel verwendet, doch vielleicht entstehen neue Formen von Coins und Token, die einen nachhaltigeren Zweck erfüllen. Durch die Tokenisierung von aufgewendeten Energieeinheiten oder des eingesparten CO2 wäre eine neue Form von privatem Emissionshandel mit einer Art Micro-CO2-Zertifikaten vorstellbar. Dabei könnte auch die CO2-Bilanz des im Wohngebäude verbauten Betons oder natürlicher Baustoffe als negativer oder positiver Faktor einfließen. Denkbar wäre auch, Teile dieser "Proof-of-NET"-Token an die Mieter / Verbraucher auszuschütten als kleines Dankeschön der Umwelt.
Auch wenn es vielleicht anders scheint, möchte ich nicht als Bitcoin-Maximalist verstanden werden. Die Technik der verteilten Rechen- und Speicherknoten, wie sie für den Betrieb von Blockchains oder IPFS Datenspeicher seit über zehn Jahren eingesetzt wird, ist allerdings äußerst interessant und eröffnet völlig neue Potentiale in vielerlei Hinsicht. Wenn eines Tages die Spekulanten das Interesse an Bitcoin und Co verlieren, bleibt dennoch die technische Struktur bestehen, die sich weiterentwickeln wird und vielleicht setzt dann eine breitere Akzeptanz und gerechtere Verteilung ein, eine Reorganisation der Ressourcen. Im Moment ist der größte Teil des Krypto-Markts zentralisiert und getrieben von der Sehnsucht nach dem schnellen Geld. Vielleicht beginnt irgendwann die Zeit der kWh-Token oder "CO2neg"-Coins, die als Äquivalent für Ursache und Wirkung dezentral erzeugt und gehandelt werden und dadurch Gebäude ganzjährig kosten- und CO2-neutral beheizt werden können - denn Wärme und Rechenleistung werden immer irgendwo auf der Welt benötigt - doch nur selten am selben Ort.